Die Österreichische Gesellschaft für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie hat durch den Tod von Herbert Knittler am 24. November 2023 einen ihrer wichtigsten Mitstreiter von Beginn an verloren. Zur Zeit ihrer Gründung im Jahre 1984 war er bereits ordentlicher Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte[1]. Durch seine Bereitschaft, sich als stellvertretender Obmann mit einem Amt in der neu gegründeten Gesellschaft für Mittelalterarchäologie zur Verfügung zu stellen, hat er auch deren Selbstverständnis als historisches Fach mitgeprägt und gefestigt. Schon lange vor dem später aktuell werdenden „material turn“ hat ihn der auch durch die Archäologie fassbare dingliche Niederschlag historischen Geschehens interessiert und er hat die Entwicklung des Fachgebiets durch persönlichen Einsatz intensiv gefördert. Im Jahre 1995 übernahm er dann das Amt des Obmanns der Gesellschaft, das er bis 2004 inne hatte. In dieser Zeit wurden wichtige internationale Tagungen vorbereitet und abgehalten: „Klosterarchäologie in Österreich und den Nachbarländern“ (BMÖ Band 12/1996), „Mensch und Tier im Mittelalter“ (BMÖ Band 15/ 1999), „Zwischen Römersiedlung und mittelalterlicher Stadt“ (BMÖ Band 17/ 2001) und „Auf gläsernen Spuren“ (BMÖ Band 19/ 2003). Er hat darüber hinaus auch durch verschiedene Beiträge in den BMÖ die Schnittstellen zwischen Archäologie und schrifthistorischer Forschung berührt und dadurch Impulse für einen gesamthistorischen Zugang gesetzt.[2]
Herbert Knittler war auch an den Veranstaltungen der Ruralia , der „International association for the archaeology of medieval and post-medieval settlement and rural life“ interessiert und hat bei der Tagung in Lyon einen Vortrag mit dem Thema „Teiche als Konjunkturbaromete? Das Beispiel Niederösterreich (Ruralia V, 2005, 208–221) gehalten und bei der Tagung in Götzis „Molendinum & villa. Überlegungen zu Mühlenstandorten im nördlichen Niederösterreich 13. bis 17. Jahrhundert“ (Ruralia Band IX, 23–33).
Eine besondere Vorliebe und auch Sammelleidenschaft hatte H. Knittler für Glas. Im Zuge der von ihm kuratierten Niederösterreichischen Landesausstellung auf der Rosenburg im Jahre 1990 mit dem Thema „Adel im Wandel“ beschäftigte er sich u. a. mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Glasherstellung in Niederösterreich und er setzte in der Folge auch konkrete Impulse für Grabungen in den neuzeitlichen Glashütten in Sulzbichl bei Puchenstuben und in Reichenau am Freiwalde. Im Museum von Thaya richtete er 2002 anlässlich der Tagung „Auf gläsernen Spuren“ eine kleine Ausstellung ein und seine Sammeltätigkeit mündete in dem schön gestalteten Buch „Klarheit und Vielfalt, Österreichisches Formglas aus drei Jahrhunderten unter Einschluss von Grenzbereichen Sammlung Knittler“, das 2016 im Verlag der Provinz erschienen ist.
Die mittelalterarchäologischen Grabungen besonders in seinem heimatlichen Waldviertel hat er gerne besucht und deren Ergebnisse mit großem Interesse verfolgt. Man konnte ihn jederzeit um fachlichen Rat fragen, er hat mit seinem großen Wissen immer geholfen.
Ich persönlich habe ihm sehr dafür zu danken, dass er es auf sich genommen hat, als „Fachfremder“ meine mittelalterarchäologische Habilitation in die Wege zu leiten und mir immer beratend zur Seite zu stehen. Damals waren die Fachgrenzen noch enger festgezurrt, er hat mit dieser ungewöhnlichen und mutigen Handlung die künftige Entwicklung einer größeren Durchlässigkeit vorweggenommen.
Der Tod von Herbert Knittler ist ein großer Verlust für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Österreich.
Sabine Felgenhauer-Schmiedt
[1] Siehe den Nachruf von Hannes Stekl, der einen umfassenden Überblick über den Werdegang und über die vielseitigen Forschungen von Herbert Knittler bietet: https://wirtschaftsgeschichte.univie.ac.at/institut/aktuelles/einzelansicht/news/nachruf-auf-herbert-knittler-751942-24112023/).
[2] Band 4/5, 1988–89, 251–262: Herbert Knittler, Das westliche Thayagebiet im Mittelalter; Band 15, 1999, 207–221: Herbert Knittler, Tierische Zugkräfte in der mittelalterlichen Landwirtschaft; Band 19, 2003, 157–164: Herbert Knittler, Frühneuzeitliche Betriebsabrechnungen niederösterreichischer Glashütten: Reichenau – Gföhlerwald – Schwarzau; Band 22, 2006, 81–92: Herbert Knittler, Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen 'Überländkeller' der Stadt Weitra, Niederösterreich; Band 25, 2009, 203–211: Herbert Knittler, Zur Topografie des Dorfes in niederösterreichischen Weistümern des 15. und 16. Jahrhunderts. Siehe auch: https://wirtschaftsgeschichte.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/i_wirtschaftsgeschichte/Mitarbeiter/Knittler/KnittlerBibliografie.pdf.